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Bedämpfungslose Gehäuse - Druckversion

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Bedämpfungslose Gehäuse - mtthsmyr - 09.12.2020

Ich würde gerne einiges kommentieren, aber dazu fehlt mir angesichts der Menge an geäußerten Standpunkten die Zeit zu.

Aktuell fokussiert sich die Diskussion ja etwas auf die Fragen:
- was sollte da überhaupt für ein Effekt vorliegen?
- ist es möglicherweise das psychoakustischs Phänomen, dass Störungen zu einem subjektiven "mehr Klang" führen? Berechtigter Einwand hatte ich allerdings auch schon im Eingangsposting erwähnt.
- Geht es dabei um ein anderes Ausschwingverhalten? Oder um Abweichungen von einem pegellinearen Verhalten?

Nochmal zur Motivation:
"Audiophiles Hören" erfordert meiner Meinung nach eine gewisse Abhörlautstärke. Es ist ein gewisser Pegel erforderlich, dass Rauminformationen in der Aufnahme gut hörbar sind und dass die Tonalität richtig empfunden wird. Das sind beides Probleme unseres Gehörs. Eine Loudnesscharakteristik des Wiedergabesystems kann das bekanntermaßen bei geringen Abhörpegelns etwas kompensieren.
Bei "audiophilen Pegeln" habe ich keinerlei Probleme mit den meisten Lautsprechern. Da würde ich es ähnlich äußern wie sinngemäß schon einige Vorredner ("Bedämpfung mach ich soundso, und das ist dann eigentlich auch gut so.")

Es gibt aber auch Situationen, wo ich die Lautsprecher gerne bei geringen Lautstärken einsetzen würde. Spät abends wo ich wahlweise mich selbst, meine Frau oder die Nachbarn nicht über Gebühr nerven will. Auch tagsüber liegt der Wohlfühlpegel z.B. meiner Frau niedriger als meiner. Und dann gibt es aus meiner Erfahrung je nach Lautsprecher ein unterschiedlich gutes Verhalten bei niedrigen Pegeln. Um mal eine Beispiel zu nennen, dass immerhin ein paar Leute gehört haben - die "M-L-W-R": die MLWR ist ein toller Lautsprecher für audiophile, dedizierte Musikhören (s.o.). Aber um 23h leise damit Musik zu hören, tut es für mich einfach nicht. Dass können andere Konstruktionen besser, z.B. meine FX-120/NeoCD3.0-Combo oder der "perfectly normal speaker". Dafür trumpft die MLWR dann bei etwas hören Pegeln wieder auf. Und ich kenne beide Konstruktionen aus so vielen unterschiedlichen Abstimmungen... der MLWR ist nie überraschend zum kompetenten Leisesprecher geworden, oder dass die Fostex-Box plötzlich ihre Leise-Qualitäten eingebüßt hätte. Passiert nicht. Es sei denn man spielt mit dem Dämmmaterial.
Auch das Abstrahlverhalten kann man ausschließen. Es ist egal, ob ich das Bändchen bei 3,5kHz trenne, 7,5 kHz - oder den FX120 als Fullranger betreibe. Sind unterschiedliche Konzepte, aber auch da tut sich hinsichlich Leisesprechen gar nichts.

Ich schreibe das deswegen nocheinmal, weil es verbunden ist mit einem der Probleme, die wir in diesen Diskussionen häufig haben. Mit wem rede ich da eigentlich? Wieviel Erfahrung hat er? Welche? Wie gründlich, gewissenhaft und reflektionsfähig ist er? Was ist sein technischer Background? Mir passiert es häufig, dass ich Menschen irrtümlich Kompetenzen unterstelle, genauso wie ich irrtümlich Inkompetenzen unterstelle. Für einen erfreulichen Umgang im Forum hier, finde ich es aber wünschenswert, im Zweifelsfalle erst einmal das Gute anzunehmen, ggf. höflich nachzufragen, und nicht überall eine Jehova-Äußerung zu hören und auf Verdacht schon mal die Steinigung zu starten.

Das "magische Denken" halte ich hier für unangebracht. Beim magischen Denken wird ein Zusammenhang zwischen einer Handlung und einem Ereignis hergestellt, wo tatsächlich überhaupt kein Zusammenhang besteht (Beispiel "cargo cult"). Dass Änderungen bei der Bedämpfungen Auswirkungen auf die Wiedergabe gibt, ist ja unstrittig. Das Problem ist aus meiner Sicht, dass ich die einfachen Erklärungen (Änderungen im Frequenzgang) nicht mit meinen Erfahrungen in Einklang bringen kann, und dass ich alternative Erklärungen weder fundiert erklären noch messtechnisch belegen kann. Außerdem ist es mir weder mit passiver noch aktiver Entzerrung gelungen eine totgedämpfte Box zu reanimieren. Andersherum: totdämpfen klappt eigentlich immer. Man muss es nur wollen. Deswegen ist für mich bisher das verfolgen der einfachsten Erklärung (s. Ockham) wenig vielversprechend. Dazu gehört auch, dass eine minimal, aber messtechnisch ausreichend bedämpfte Box immer noch Positivmerkmale gegen einer stärker bedämpften aufweist.

Wie Tim auch schon sagt: wenn Pegellinearitäten verantwortlich wären, sind sie so klein, dass sie nicht messbar sind. Ich habe versucht sie zu finden - Messung bei 0 und -40dB. Deckungsgleiche Kurven. Ein Ähnlicher Vergleich mit dem Zerfallsspektrum bei 0 und -40dB wäre noch einmal interessant.

Es gibt noch andere Wege, sich dem Thema zu nähern. Man könnte einen Lautsprecher doppelt aufbauen (einmal bedämpft und einmal unbedämpft) und den bedämpften aktiv so entzerren, dass er die Anomalien und Abstimmung des unbedämpften nachbildet. Würde es am Frequenzgang liegen, müsste der entzerrte bedämpfte daraufhin die gleichen Positivattribute aufweisen, wie der unbedämpfte. Könnte man...

Erklärungen oder messtechnische Belege zu finden wäre gut. Ich muss aber auch gestehen, dass mich konkrete Lösungsansätze für bedämpfungslose Konstruktionen gerade mehr interessieren. Hobby-Zeit ist endlich und die Movitation irgendwen hier von irgendetwas zu überzeugen gering. Tim hat für mich zwei konkrete Ansätze genannt: Resonanz-Optimierung des Gehäuses über das Leonard Audio Tool. Und der Diffusor-Ansatz. Beide Ansätze hätte ich Lust mal zu verfolgen. Vielleicht fällt ja auch irgendein interessantes Messergebnis dabei ab.

Konkret hätte ich Interesse etwas mit dem Fostex FX120 aufzubauen. In rund 10 Litern auf 55 Hz abgestimmt, habe ich mit dem bisher die besten Ergebnisse erzielt. Davon ausgehend würde ich erst einmal versuchen in Leonard Audio irgendetwas zurechtzuoptimieren. Das wäre mein Ansatz. Wie sieht's aus, Tim? Hättest Du Lust, das etwas zu unterstützen?

Gruß, Matthias


Bedämpfungslose Gehäuse - Jesse - 09.12.2020

mtthsmyr schrieb:Erklärungen oder messtechnische Belege zu finden wäre gut. Ich muss aber auch gestehen, dass mich konkrete Lösungsansätze für bedämpfungslose Konstruktionen gerade mehr interessieren. Hobby-Zeit ist endlich und die Movitation irgendwen hier von irgendetwas zu überzeugen gering.

:prost:

Das sehe ich ja sowas von genauso... Big Grin


Bedämpfungslose Gehäuse - JFA - 09.12.2020

tim1999de schrieb:Ton im technischen Sinn, also eine Sinusschwingung, die durch den Elko relativ zum MKP gleicher Kapazität in dem selben Frequenzband einen geringere Amplitude durchlässt, da der Innenwiderstand des Elkos mit zunehmender Frequenz steigt. So richtig?

Ein reine Sinusschwingung wird, wenn der Elko in Reihe zum Chassis liegt, von dessen Innenwiderstand (einige 100 mOhm) natürlich stärker bedämpft als mit einem MKP (einige 10 mOhm). Der Unterschied kann deutlich sein.


Bedämpfungslose Gehäuse - JFA - 09.12.2020

mtthsmyr schrieb:Wie Tim auch schon sagt: wenn Pegellinearitäten verantwortlich wären, sind sie so klein, dass sie nicht messbar sind. Ich habe versucht sie zu finden - Messung bei 0 und -40dB. Deckungsgleiche Kurven. Ein Ähnlicher Vergleich mit dem Zerfallsspektrum bei 0 und -40dB wäre noch einmal interessant.

Die Pegelunterschiede zwischen zwei unterschiedlich bedämpften, aber ansonsten identisch aufgebauten Lautsprechern kann ich dir jederzeit messtechnisch nachweisen. Zur Not auch direkt neben der Autobahn (dann dauert es bloß länger).

Aber was genau meinst Du mit Lösungsansätzen?


Bedämpfungslose Gehäuse - walwal - 09.12.2020

Ein unbedämpter LS hat wesentlich stärkere Resonanzen im Inneren als mit Absorptionsmaterial. Diese regen die Wände zur Schallabgabe an. Bis hierhin messtechnisch bewiesen.

Die Wandschwingungen sind phasenverschoben, wodurch es anders klingt. Deswegen bringt eine Nachbildung mit EQ nix, weil es Zeitfehler und keine Frequenzfehler sind.


Bedämpfungslose Gehäuse - JFA - 09.12.2020

walwal schrieb:Die Wandschwingungen sind phasenverschoben, wodurch es anders klingt. Deswegen bringt eine Nachbildung mit EQ nix, weil es Zeitfehler und keine Frequenzfehler sind.

Irgendwas ist da in den Begrifflichkeiten verrutscht...


Bedämpfungslose Gehäuse - mtthsmyr - 09.12.2020

Jesse: Danke! Smile

@JFA: Wegen der Vergleichsmessung. Dabei ging es darum, zu ermitteln, ob es irgendwelche pegelabhängige Effekte bei Lautsprechern gibt, und wenn es sie gibt, ob das Ausmaß der Pegelabhängigkeit durch das Ausmaß der Bedämpfung beeinflußt ist. Ich hatte bisher wenig Erfolg mit solchen Untersuchungen, was bei mir allerdings auch nicht zu der Annahme führt, dass "der Sachverhalt ein für alle mal von kompetenter Seite her und total wissenschaftlich geklärt wurde ™".

Lösungsansätze: um ohne oder mit wenig Bedämpfung messtechnisch gutmütiges Verhalten zu erzeugen - wie beschrieben, Gehäuseoptimierung mit Leonard-Audio und ausprobieren, was der vorgeschlagene Diffusor bewirkt.

@walwal: das könnte für einen leichten Bündelungseffekt sorgen. Bei der Anwendung mit dem Fountek fw168k reden wir übrigens von 15 Litern in Birke Multiplex. Schallwand 30mm, Seiten 24mm Materialstärke. Plus einen Versteifungsring. Meinst Du eine 19mm MDF-Kiste mit zwei Matten Sonofill würde weniger resonieren? (im Nutzbreich, also <400Hz).


Bedämpfungslose Gehäuse - walwal - 09.12.2020

Das weiß ich auch nicht, allerdings bringt dickes Material nicht so viel wie Verstrebungen.


Bedämpfungslose Gehäuse - walwal - 09.12.2020

JFA schrieb:Irgendwas ist da in den Begrifflichkeiten verrutscht...

Bitte mal erklären.Wink


Bedämpfungslose Gehäuse - JFA - 09.12.2020

Was sind Zeitfehler? Was sind Frequenzfehler? Und was hat das mit phasenverschoben zu tun?


Bedämpfungslose Gehäuse - walwal - 09.12.2020

Vergleich leer, Streben und Streben plus Wolle:
[Bild: 8_2_hoch_daemmwolle_3_streb_summe_aus_8_4ozlw9k0.png]


[Bild: 8_1_hoch_nichts_3_streb_summe_aus_8_geh_12.png]


[Bild: 1_0_flach_nichts_keine_streb_summe_aus_8_geh_11.png]


Bedämpfungslose Gehäuse - walwal - 09.12.2020

JFA schrieb:Was sind Zeitfehler? Was sind Frequenzfehler? Und was hat das mit phasenverschoben zu tun?

Frequenzfehler sind Fehler im Frequenzgang
Zeitfehler sind bedingt durch Reflektion an harten Flächen, diese sind phasenverschoben.


Bedämpfungslose Gehäuse - Dale - 09.12.2020

walwal schrieb:Ein unbedämpter LS hat wesentlich stärkere Resonanzen im Inneren als mit Absorptionsmaterial. Diese regen die Wände zur Schallabgabe an. Bis hierhin messtechnisch bewiesen.

Die Wandschwingungen sind phasenverschoben, wodurch es anders klingt. Deswegen bringt eine Nachbildung mit EQ nix, weil es Zeitfehler und keine Frequenzfehler sind.

Endlich mal was Sinnvolles. Smile Smile Smile Das ist ausgesprochen korrekt.

Kurze inhaltliche Anmerkungen, das sind sogar nicht nur Phasenfehler (die es auch im eingeschwungenen Zustand sein können) sondern auch zeitliches Hoch- und Herunterfahren der Resonanzen.

Beste Grüße,
Dale.


Bedämpfungslose Gehäuse - JFA - 09.12.2020

walwal schrieb:Zeitfehler sind bedingt durch Reflektion an harten Flächen, diese sind phasenverschoben.

Was wiederum Fehler im Frequenzgang bedeutet


Bedämpfungslose Gehäuse - walwal - 09.12.2020

[INDENT]You cannot correct time with amplitude[/INDENT] An equalisation system cannot compensate for acoustic effects that are time related. No-one would attempt to create a 'time-aligned' speaker system by applying equalisation - it wouldn't work, and the creator of such a travesty would be the butt of a great many jokes - and rightfully so! Reflections within a room are an effect of time, and no amount of messing around with the amplitude (level) of a signal can fix a problem that is a direct result of a time delay - even if done at specific frequencies. In fact, there is absolutely nothing you can do at the source that will have an effect. If an acoustic signal reflects off a window, the only thing that will stop it is to turn the signal off or open the window. Naturally, any other acoustic signal from any source will also reflect off the window. Can EQ fix this? Of course not. One would be quite mad to imagine that it could.
I have seen claims that a DSP can 'fix' room modes and other anomalies at a fixed position, but the claimants fail to point out that such a fixed position may only encompass a few cubic centimetres. Also missed was the fact that our hearing (ear-brain combination) ignores (at least to a degree) many of the peaks and dips that can be detected by a microphone, and if one were to equalise based on the mic response, the result would sound worse than one could possibly imagine. However, there is an exception ... see below.
A time delay will cause problems over a wide range of frequencies, but is likely to be most troublesome where the time is in direct relationship to the wavelength of the affected frequencies. It is because specific frequencies are affected that it may be assumed that a filter circuit might help, but this approach has neglected to consider the real problem.
Just imagine how we would all laugh at a motorist refilling the petrol tank because his car had stopped, having completely failed to notice that the car stopped because it crashed into a tree.

https://sound-au.com/articles/dsp.htm



Bedämpfungslose Gehäuse - walwal - 09.12.2020

JFA schrieb:Was wiederum Fehler im Frequenzgang bedeutet

Ja, aber die sind nicht durch Frequenzgangänderungen korrigierbar.

You cannot correct time with amplitude

[I]Just imagine how we would all laugh at a motorist refilling the petrol tank because his car had stopped, having completely failed to notice that the car stopped because it crashed into a tree.

[/I]

[I]Stellen Sie sich vor, wir würden alle über einen Autofahrer lachen, der den Benzintank nachfüllt, weil sein Auto angehalten hat, ohne zu bemerken, dass das Auto angehalten hat, weil es gegen einen Baum gekracht ist.

Big Grin
[/I]



Bedämpfungslose Gehäuse - Dale - 09.12.2020

JFA schrieb:Was wiederum Fehler im Frequenzgang bedeutet

Stell Dir ein Echo vor, was einfach 80% des Signals eine Sekunde später noch mal rauswirft. Wie willst Du das im Frequenzgang korrigieren?

Ah @walwal war schneller.


Bedämpfungslose Gehäuse - FoLLgoTT - 09.12.2020

walwal schrieb:An equalisation system cannot compensate for acoustic effects that are time related.

Das ist für minimalphasige Systeme und minimalphasige Filter schlichtweg Quatsch. Isolierte Resonanzen sind sowohl im Amplituden- als auch im Phasengang kompensierbar. Das eine bedingt das andere.


Bedämpfungslose Gehäuse - Kalle - 09.12.2020

Dale schrieb:Stell Dir ein Echo vor, was einfach 80% des Signals eine Sekunde später noch mal rauswirft. Wie willst Du das im Frequenzgang korrigieren? .
In dem ich das in den Gehäusen gesparte Dämmmaterial an die Wand tackereRolleyesSmile


Bedämpfungslose Gehäuse - quecksel - 09.12.2020

Dale schrieb:Stell Dir ein Echo vor, was einfach 80% des Signals eine Sekunde später noch mal rauswirft. Wie willst Du das im Frequenzgang korrigieren?

Hab das mal aufgeschrieben: https://www.hifi-forum.de/index.php?action=browseT&forum_id=72&thread=7648&postID=23#23