Alles auf Anfang ?
Der geschätzte LME497x0 ist ja so gut wie Geschichte. Aber deshalb muss man hier nicht bei null anfangen. Daher nun ein paar aktuelle Erkenntnisse und Gedanken zum Design, in denen die Betrachtungen aus dem Eingangspost im Kontext zu (m)einer kompletten Signalkette analysiert und abgeschätzt werden.
Bei meinen Endstufen, den
Composite Chipamps, habe ich mal das Eigenrauschen gemessen. Das liegt bei hervorragenden ca. -140dBV/Wurzel(Hz) bei 1KHz, also grob 14,1uVrms bei einer 20KHz Bandbreite bzw. einer noise density von ca. 100nV/Wurzel(Hz). Die Verstärkung beträgt 10-fach.
Davor befindet sich eine Hypex DLCP analog angeschlossen mit einem Rauschen von 7,4uVrms laut Datenblatt, also einer noise density von 52,3nV/Wurzel(Hz).
Gehört rauscht die DLCP übrigens halb so viel wie miniDSP 2x8 mit gleichen Filtern !
Hiervor gibt es einen PreamPi mit gerechneten 1,79uVrms bzw. 12,7nV/Wurzel(Hz) ohne Lautstärkeregelung. Mehr dazu später.
Und was höre ich am Hochtöner mit einem Wirkungsgrad von 92dB (1W, 1m)
meiner aktuellen Boxen ?
So gut wie nichts, selbst mit dem Ohr an der Kalotte. Am Hörplatz in 1,8m Entfernung ist es unhörbar, denn es verschwindet ab ca. 60cm Abstand bei ansonsten absoluter Stille.
Dabei sitzt der HT noch in einem Waveguide, welches den Bereich um 3 KHz, der nach Fletcher-Munson der empfindlichste für das Ohr ist, sogar noch um ca. 6dB anhebt.
Das Rauschen unterliegt hier ja nicht der Filterung in der DLCP und schlägt direkt durch.
Schauen wir mal etwas genauer hin:
Rauschen addiert sich geometrisch. Also würde PreamPi und die DLCP in Kombination folgendes Gesamtrauschen produzieren:
Eg = Wurzel(7,4uV^2 + 1,79uV^2) = 7,61uVrms also 53,8nV/Wurzel(Hz).
Wenn ich nun die Vorstufe wie hier geplant nur mit AD797 bauen würde, käme man auf folgendes Ergebnis:
Eg = Wurzel(7,4uV^2 + 0,72uV^2) = 7,43uVrms, also 52,5nV/Wurzel(Hz).
Man sieht demnach hier schon sehr schön, daß der DSP als Rauschquelle dominiert und PreamPi überhaupt nicht das Problem ist trotz seiner Einfachheit.
Das ganze ohne DSP und stattdessen mit einer Endstufe:
Endstufen haben im Gegensatz zu den bislang betrachteten Komponenten eine Verstärkung. Nun kommt die Größe des equivalent input noise zum Tragen. In dem Modell bezieht sich der Rauschwert auf die Eingänge eines Verstärkers und das Eingangssignal wird anschließend rauschfrei verstärkt.
Nehmen wir das Eingangsrauschen laut Datenblatt eines LM3886 Chipamp. Das liegt bei 2uVrms. Weiter nehmen wir eine Allerwelts-Verstärkung von 25-fach (28dB) an. Dann sieht das in Verbindung mit einem Pre so aus:
PreamPi: Eg = Wurzel(2uV^2 + 1,79uV^2) x 25 = 67,1uVrms also 474nV/Wurzel(Hz).
AD797 Pre wie oben: Eg = Wurzel(2uV^2 + 0,72uV^2) x 25 = 53,2uVrms, also 376nV/Wurzel(Hz).
Hier sieht man jetzt, daß die Verstärkung in der Endstufe das Gesamtrauschen völlig dominiert und wieder nicht der Pre der Problembär ist.
Wenn man also wirklich nachhaltig etwas erreichen möchte in Punkto Rauschen, macht man sich am besten zuerst an den Endstufen zu schaffen. Da bin ich Gott sei Dank bis auf weiteres fertig. Meine einfachen Chipamp Endstufen (ohne composite) sind hier übrigens gemessen genauso gut.
Bei meiner aktuellen 3er-Abwehr-Kette mit PreamPi, DLCP und Composite/Chipamp Endstufen komme ich auf insgesamt 77,4uVrms bzw. 548nV/Wurzel(Hz) und höre dennoch wie oben beschrieben am Hörplatz gar nichts davon.
Das kommt daher, daß sich die DLCP deutlich besser verhält als miniDSP 2x8 und meine Endstufen nur noch 10-fach verstärken.
Daher funktioniert auch PreamPi in der typischen Kombination mit Class-D Endstufen einwandfrei.
Eine AMS-1000 hat übrigens ein "idle noise" von 60uVrms und eine Verstärkung von 23,7. Das würde in etwa einen equivalent Input noise von 2,5uVrms machen.
In diesem Licht scheint sich also die Übung des Parallelisierens von OPs im Vorverstärker zu relativieren (es sei denn, man möchte mit aller Gewalt bei einer Optimierung an der falschen Stellschraube drehen).
Da ja auch die through hole Bauteile vom Aussterben bedroht sind und man mit der Zeit gehen muss, werden SMD Komponenten zur Pflicht. Man kann es nicht ändern. Für manche scheint das ein Nachteil zu sein. Aber es eröffnen sich dadurch auch wieder neue Möglichkeiten. Also doch keine Veränderung ohne Verbesserung
Mit dem
OPA1611/1612 gibt eine klasse Alternative zum allseits beliebten AD797. Der OPA ist dabei aber einfacher zu beschalten und somit knabbern auch keine extra Bauteile, die beim AD nötig wären, die Rauschperformance von 1,1nV/Wurzel (Hz) wieder ab. Die 0,9nV/Wurzel(Hz) des AD797 bleiben also eher theoretische Natur.
Laut meinen Abschätzungen läge das Rauschen eines einfachen Vorverstärkers ohne Parallelisierung aber mit OPA1612 statt LME49740 bzw. LMP8674 um ca. 25% niedriger.
Der AD797 als Diffamp mit 1K Widerständen wird im Datenblatt übrigens mit 9nV/Wurzel(Hz) angegeben. Darauf komme ich rechnerisch ebenfalls (8,97). Meine Rechnungen passen also ganz gut. Dazu kommen noch die beiden Spannungsfolger am Eingang und das Rauschen der Quellimpedanz (bei allen Rechnungen mit 50 Ohm angenommen, falls so vorhanden). Insgesamt komme ich dann auf 1,37uVrms bzw. 9,7nV/Wurzel(Hz).
Und nur noch zum Vergleich und um ein Gefühl zu vermitteln: Ein einzelner 1K Ohm Widerstand rauscht mit 4nV/Wurzel(Hz) bei 25°C; einfach so. Die Gesamte Eingangsstufe rauscht demnach etwas weniger als 6x 1KOhm Widerstände in Reihe (9,9nV/Wurzel(Hz)).
Alle anderen Werte des OPA sind ebenfalls auf absolutem Spitzen-Niveau und er sollte für den Zweck bestens geeignet sein. Es gibt zwar kein 4er Package. Aber im Gegensatz zum AD797 wenigstens eine Doppelversion, welche für 7€ selbst bei Reichelt zu haben ist.
Nach der obigen Betrachtung denke ich, daß man diese Einladung annehemen muss:
Komplexität minimiert, Performance (der einfachen Version) maximiert.
Somit gehen auch Größe und Preis des Pres unterm Strich wieder runter. Zum Basteln wird es immer noch genug geben.
Alle Betrachtungen waren jetzt ohne die Lautstärkeregelung, da diese gesetzt und selber schon so rauscharm wie möglich ist. Übrigens rauscht die aktive Regelung bei leisen Lautstärken weniger als bei lauten und das Maximum wird nicht wie sonst häufig in der Mittelstellung erreicht, sondern eben in der Max. Stellung. Hier ist es geplant, die max. Verstärkung auf 1 zu begrenzen. Damit wäre das Extrarauschen abermals nicht schwergewichtig.
Die neuste Platine werde ich so bald wie möglich testen. Der neue Drehimpulsgeber läuft schon mal.
Grüße
P.S. Für alle, die SMD Bauteile scheuen und mitbauen möchten: Der Platinenhersteller würde auch Teilbestückungen machen. Die restlichen throughhole Teile könnte man dann immer noch selber löten. Einen konkreten Preis müsste man natürlich noch anfragen.